Über die Kunst des Nicht-Verirrens

Wandern kann doch jeder! In den schönen Gegenden gibt es genügend markierte Wege und an den Wanderparkplätzen Infotafeln. Oder man schnappt sich einfach eine Wanderkarte und läuft drauflos. Wird schon schiefgehen …

Okay, das kann klappen. Oder auch nicht. Der Erlebniswert ist dann meistens hoch, aber anders als gedacht: Pfade finden statt Gegend genießen! Und die Strecke wird – wie die Gesichter der Wanderer – länger und immer länger.

© S. Holicki
© S. Holicki

Warum? Fünf Gründe fürs Verirren beim Wandern –  alle selbst erprobt! Und fünf Ratschläge, wie man es besser machen kann.

1. Die Markierungslücke

Wanderwege sind mitunter schlecht gepflegt, Markierungen sind uneindeutig oder fehlen ganz. Das hängt meist davon ab, welche Organisation sich um das lokale Wegenetz kümmert. Manchmal werden auch Bäume oder Pfosten, die ein Schild oder ein Wanderzeichen tragen, von Waldarbeitern, Bauern oder Winzern entfernt. Die haben bei ihrer Arbeit anderes zu tun als Wegmarkierungen zu ersetzen. Damit muss man vor allem im späten Winter und Frühjahr rechnen, wenn größere Wald- und Feldarbeiten gemacht werden.

Was hilft? Aufpassen, mitdenken. Und vor allem zweifach absichern. Also mit Karte und nach Markierung laufen. Noch besser mit Karte und einem GPS-Gerät. Dies hilft auch bestens gegen Problem Nr. 2, nämlich …

2. „Wir sind doch genau hier – oder?“

Wenn man nach Karte wandert, ist es das Allerwichtigste, ganz sicher seinen Standort zu bestimmen. Die meisten „Verirrungen“ entstehen, weil man der Karte folgt, dabei aber einen falschen Ausgangspunkt annimmt. Das klappt eine ganze Weile, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Denn man biegt sich die Gegebenheiten irgendwie zurecht, damit sie ins Bild passen. Aber irgendwann muss man doch feststellen: Das kann nicht mehr stimmen. Wo haben wir den Fehler gemacht?

Was hilft? Wie gesagt, ein GPS. Das zeigt relativ zuverlässig den aktuellen Standort. Wenn man auf die Karte angewiesen ist: Nicht nur die Wegstrecke und die Markierungen betrachten. Sondern zur Orientierung alles heranziehen, was die Karte zu bieten hat: Wo ist Wald, Feld, Freifläche, Bebauung? Wo fließen Bäche, sind Seen, Moore usw.? Sind eingezeichnete Gebäude, Bahntrasse, Stromtrassen in Sicht? Wie verlaufen die Höhenlinien, müssten wir gerade oben oder unten sein? Es lohnt sich, sich mal ins Kartenlesen zu vertiefen, damit man die Landschaft besser „lesen“ kann.

© Mia Beck 2010
© Mia Beck 2010

3. Der „Geradeaus-Drall“

Der tritt besonders dann auf, wenn man ins Gespräch vertieft ist. Das gleichmäßige Gehen, die Ablenkung verleiten dazu, immer weiter dem Weg zu folgen, auf dem man gerade ist – vorzugsweise einem breiten Weg. Schöne Wanderwege haben aber die Tendenz, von breiten Wegen schnell wieder abzubiegen, am liebsten auf schmale verborgene Pfade. Solche Abzweigungen werden gerne übersehen. Irgendwann fällt dann auf, dass man lange kein Wanderzeichen mehr gesehen hat …

Was hilft? Augen auf. Vorher anschauen, wann welche Abzweigungen kommen müssten. Im Zweifelsfall bis zu dem Punkt zurücklaufen, wo man zuletzt eine Markierung gesehen hat.

4. „Auf der Karte sah das viel näher aus …“

Unerfahrene Wanderer haben häufig kein Gefühl für die Länge von Strecken, insbesondere wenn dabei nenneswerte An- und Abstiege zu bewältigen sind. Irgendwann stellt man fest, es wird zu weit. Wer dann nach einer Abkürzung sucht, landet leicht bei der nächsten Falle … aber zunächst:

Was hilft? Richtwerte. Laut Wanderexperten legen normale Wanderer im flachen Gelände grob 4,2 km pro Stunde zurück. Wer fitter ist, kann auch 5 km oder mehr schaffen. Wer eher spazierengeht oder viel stehenbleibt, um zu schauen und zu fotografieren, schafft vielleicht nur 3,5 km. Kommen Höhenmeter dazu, braucht man länger: Bei einem Höhenunterschied von 300 m (bergauf oder bergab) muss man eine zusätzliche Stunde draufrechnen.

All dies geht von normalen Wetter- und Geländebedingungen aus. Rutschiger oder steiniger Untergrund, Schnee, Hitze oder auch die Pausen sind noch nicht eingerechnet. Und: je größer die Gruppe, desto langsamer.

© S. Holicki
© S. Holicki

5. „Da gibt es bestimmt eine Abkürzung!“

Ganz böse Falle, dieser Drang (insbesondere männlicher Wandererer), Abkürzungen durchs Unterholz zu suchen. Man überschätzt in der Regel seinen Orientierungssinn, während man die Mühen unterschätzt, die dichtes Gestrüpp, morastiger Untergrund oder – „Ach guck mal, ein Bach“ – natürliche Hindernisse verursachen können. Zeit spart es meinstens nicht. Auch hier weiß ich genau, wovon ich rede. Mit blutig gekratzten Beinen wird man im Ausflugslokal echt schief angeguckt!

Was hilft? Kurz und bündig: Abkürzungen durchs Unterholz sein lassen. Darüber freut sich auch das Wild, das nicht aufgeschreckt wird. Ärgerlich ist es bloß für die Zecken, die sehr gerne aus niedrigem Gebüsch auf leckere Wandererwaden springen …!

Und: Der Weg ist schließlich das Ziel, auch wenn er vielleicht etwas länger ist. Viel Spaß dabei!

Wandern? Gar nicht so einfach …